Marchtrenk 1900-1938. Ein kleines Dorf in schwerer Zeit
Verkauft und Verschenkt!
Das passiert, wenn eine Gemeinde kein Museum hat.
Das Leben in der Welser Heide war durch den Kampf um das tägliche Brot geprägt. Das Verständnis für die Bewahrung von Ausgrabungen, historischen Artefakten, für die Dokumentation der eigenen Geschichte war nicht so vorhanden wie heute. Dazu kamen das untertänige Denken und die Meinung, dass nur in den Städten das Wissen hierfür gegeben ist.
Es ist nicht bekannt, was alles den Museen in Wels und Linz übergeben wurde, doch sollte die Hoffnung bestehen bleiben, dass ein Teil dieser musealen Gegenstände eines Tages – zumindest als Leihgabe – zurückkehrt. Die bekanntesten Beispiele aus der Zeit zwischen 1900 und 1938 sind:
Funde aus der Mittelsteinzeit
Auf einem Grundstück des „Beitlmairgutes“ in Niederperwend fand man im Herbst des Jahres 1926 beim Ausreuten eines Baumes Keramikscherben aus der Mittelsteinzeit, später auch die Reste einer prähistorischen Siedlung. Sie geben Zeugnis einer mehr als 5.000 Jahre zurückliegenden Kultur. Weitere neolithische Fundstücke lieferten den Beweis, dass schon vor 5.500 Jahren Menschen im Marchtrenker Gemeindegebiet siedelten. Ein Teil der Funde ist heute im Stadtmuseum Wels ausgestellt.
Funde aus einem Reihengräberfeld aus spätmerowingischer Zeit
In späteren Jahren und Jahrzehnten wurde noch manch interessantes Museumsstück weitergegeben:
Da gab es in Holzleithen ein 4.000 Jahre altes Gräberfeld aus der Frühbronzezeit mit insgesamt 150 Hockgräbern. Es fanden sich Tongefäße, Waffen, Schmuck, Reste der Festtracht, usw. Diese Funde sind im Schlossmuseum in Linz.
Ein ehemaliger – über einen Meter hohen – Grenzstein, der die Grenze der Kremsmünsterer Besitzungen markierte ist ebenfalls Teil der Sammlungen im OÖ. Landesmuseum.
Der aus dem Jahre 1877 stammende Gewürzstampf – eine Gewürzmühle – ist eine besondere Rarität. Zerlegt wartet er im Burgmuseum Wels auf seine Wiederaufstellung.
Drei Skelette aus der Franzosen- oder Bauernkriegszeit
Im August 1933 wurden beim Bau eines Hauses im ehemaligen Lager drei Skelette gefunden. Eines davon schätzte man auf 2 Meter Größe. Es fanden sich keine sonstigen Fundstücke, weshalb eine zeitliche Zuordnung schwer möglich ist.
„Die Marchtrenker Wiege“
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts lebte in Marchtrenk ein Ehepaar, das – zum Verdruss der Nachbarn – täglich heftig stritt. Der Ortsrichter Johann Kätzinger ließ im Jahr 1702 eine Wiege anfertigen, so groß, dass beide, Mann und Frau, darin Platz fanden. An einem Sonntag ließ er das zänkische Ehepaar in Tücher – wie kleine Kinder - „einfaschen“ und so in die Wiege legen.
Es war dies eine – vermutlich weltweit – einmalige Art von Pranger.
Diese „Wiege der Alten“ stand bis 1911 im Gasthaus Fischer, wo sie jederzeit besichtigt werden konnte. Am 18. Oktober 1911 verkaufte der Gastwirt Albert Fischer die Wiege um 450 Kronen an das Oö. Landesmuseum in Linz. Ein Kaufangebot des Germanischen Museums in Nürnberg war zuvor abgelehnt worden.
Text: Reinhard Gantner, 2018
"Marchtrenk 1900-1938. Ein kleines Dorf in schwerer Zeit" - Dokumentation einer Ausstellung des Museumsvereins Marchtrenk - Welser Heide vom 20. bis 28. Oktober 2018 im Full Haus Marchtrenk.